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Wie Workforce-Management SMART gestaltet werden kann

Kunden-Service-Center der Zukunft. Neue Konsummuster erfordern Anpassungsprozesse in vielen Branchen – auch die Sparkassen- und Bankenszene ist hiervon betroff en. Konsolidierungsmaßnahmen lassen sich mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit nicht länger aufschieben. Kunden-Service-Center (KSC) geraten als strategisch bedeutsame Vertriebsplattformen damit zunehmend in den Fokus.

Welche Rolle spielt Workforce-Management in diesem Kontext und wie muss ein System ausgestattet sein, das den Transformationsprozesses hin zum KSC der Zukunft optimal unterstützen kann?

Rolle des KSC der Zukunft

Immer mehr Bankkunden nutzen netzbasierte Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, zu Lasten des klassischen Filialgeschäftes. Als multimediale Drehscheibe wird das KSC deshalb als unterstützende Einheit immer wichtiger. Eine Reihe von Aufgaben, wie die Veredelung von telefonisch eingehenden
Serviceaufträgen, die Kontaktaufnahme im Rahmen der Nachsorge oder Terminvereinbarungen für die Filiale werden zentral im KSC gebündelt, so dass hier vertriebsrelevante Informationen zusammenlaufen und auch wieder verteilt werden. Überdies zeichnet sich ab, dass das Multikanalgeschäft sich in Richtung Videoberatung oder Chat- und SocialMedia-Funktionen erweitern wird. Workforce-Management-Systeme können hier einen wichtigen Part einnehmen, weil mit ihnen der Einsatz der teuersten bzw. wertvollsten Ressource gesteuert wird, nämlich des Personals, das die vielen Herausforderungen meistern soll.

Besondere Herausforderungen für KSC

Die Ausweitung des Leistungsspektrums des KSC führt zu einer Erweiterung des Aufgabenspektrums von Agenten. Einerseits wird die Arbeit interessanter und anspruchsvoller, was eine skillbasierte Rollenzuteilung bzw. Rollendifferenzierung erfordert. Andererseits ist die Arbeit in Call Centern aufgrund der kundengetriebenen Taktung der Vorgänge in hohem Maße fremdbestimmt. Das Spannungsfeld aus gehobenen, inhaltlichen Anforderungen bei gleichzeitiger Frequenzabhängigkeit ist eine der Hauptursachen für Unzufriedenheit bei den Agenten. Damit dieser latente Risikofaktor sich nicht zum Problem entfaltet, müssen die anderen Faktoren der Arbeitszufriedenheit wie z. B. Arbeitsausstattung, Arbeitsbelastung, Vergütung oder Betriebsklima besonders auf die Bedürfnisse der Agenten abgestimmt werden. Besonderes Gewicht und damit positiven Effekt haben Freiheitsgrade bzgl. der Gestaltung der eigenen Arbeitszeiten. Durch die Möglichkeit, Einfluss auf die eigene WorklifeBalance zu nehmen, besteht sogar die Chance, die erwähnten Nachteile mehr als zu kompensieren. Call Center oder vergleichbare Organisationseinheiten sind aufgrund der Personalstärke und damit verbundenen Vielfalt an Arbeitszeitpräferenzen besonders für die Maximierung der Wunscharbeitszeiten prädestiniert, wenn dies technisch durch ein passendes, für derartige Aufgabenstellungen konzipiertes, Workforce-ManagementSystem unterstützt wird. 

Spezifische Herausforderungen für KSC im Bereich Workforce-Management

Es stellt sich also die Frage nach den Ausstattungsmerkmalen eines WorkforceManagement-Systems, das zur Vertriebsstrategie der Zukunft passt und gleichzeitig eine maximale Erfüllung der Wunscharbeitszeiten garantiert. Nach herrschender Meinung soll ein Workforce-Management, die (1) richtige Zahl qualifizierter Mitarbeiter mit (2) entsprechenden Qualifikationen (3) zur rechten Zeit (4) unter Einsatz spezifischer Technologien (5) am richtigen Platz verfügbar machen, um die Serviceanforderungen der Kunden erfüllen zu können. Diese fünf Aspekte finden sich auch in den Überlegungen hinsichtlich der künftigen Ausrichtung des Vertriebs im Bankenumfeld wieder, wie sich z. B. in der „Vertriebsstrategie der Zukunft (VdZ)“ der Sparkassen-Finanzgruppe nachlesen lässt. Fünf Fragenkomplexe werden hiermit aufgeworfen: 

1. Welche Kapazitätsanforderungen existieren strategisch für einen reibungslosen Betrieb des KSC und wie hoch ist der operative Personalbedarf von Planungszyklus zu Planungszyklus?

2. Wie ist eine skillbasierte Einsatzplanung zur Abbildung von Rollenkonzepten und Berücksichtigung der Rollendifferenzierung, z. B. für Inbound, Outbound, Beratung, Vertriebsunterstützung zu gestalten?

3. Wie können die Kundenerwartungen bzgl. Erreichbarkeit an den Wochentagen und Tageszeiten erfüllt werden?

4. Welche wertschöpfenden und unterstützenden Technologien wie ACD, Sprachdialogsysteme oder auch Workforce-Management-Systeme sollen
konkret eingesetzt werden?

5. Wie erfolgt die Verzahnung von stationärer Leistungserbringung (z. B. Filialen) sowie Leistungserbringung durch KSC?

Bei der Beantwortung dieser Fragen können Workforce-Management-Systeme wertvolle Unterstützung liefern – und dies nach entsprechender Befüllung mit Daten und individueller Konfiguration quasi auf Knopfdruck. Doch welchen Maßstab legt man bei der Suche nach einem Workforce-Management-Programm an, das zur Vertriebsstrategie der Zukunft passt und gleichzeitig KSC-spezifische Probleme (Stichwort Wunscharbeitszeiten) lösen hilft? Welche Auswahlkriterien sollten angelegt werden?

Geeignete Auswahlkriterien

Ein Anforderungskatalog wächst schnell auf eine hohe, zwei- bis dreistellige Anzahl von Einzelanforderungen an (vgl. Kasten „Funktionsumfang“). Auf einer hochverdichteten Meta-Ebene lassen sich diese auf drei Anforderungskomplexe reduzieren: 

1. Agentenorientierte Planungsphilosophie
2. Flexibilität und Skalierbarkeit
3. Profunder Funktionsumfang

 

1. Agentenorientierte Planungsphilosophie

Bei allen realen oder gefühlten Nachteilen der Arbeit in einem KSC liegt ein Vorteil der spezifischen Arbeitsorganisation darin, zu einer guten Worklife-Balance und damit zu einer signifikanten Aufwertung des Arbeitsplatzes beitragen zu können. Denn ab einer gewissen Personalstärke kann das freie Spiel selbstorganisationaler Kräfte eine Dynamik entfalten, die zu einer optimalen Bedarfsdeckung bei maximaler Erfüllung der Wunscharbeitszeiten führt. Eine kleine, auf Erfahrungswerten basierende Userstory mach dies deutlich: Wenn man Agenten ausschließlich anhand ihrer Arbeitszeitpräferenzen einsetzt, ergibt sich empirisch betrachtet bereits eine relativ gute Bedarfsdeckung. Vereinzelte Unterdeckungen zeigen sich meist in den weniger beliebten Randzeiten, beispielsweise an Freitagnachmittagen, die allerdings auch besetzt werden müssen. Meistens finden sich Freiwillige, die sich auf diese Zeiten buchen, insbesondere wenn dies mit einer künftig höheren Wunscherfüllungswahrscheinlichkeit honoriert wird. Nebenbei hat die Freiwilligkeit den Vorteil, zumindest den Termin für den unvermeidbaren Freitagsdienst selbst beeinflussen zu können. Werden die verbleibenden Deckungslücken in einem letzten Schritt mit Mitarbeitern geschlossen, die dort entgegen ihrer Wünsche eingesetzt werden, ist dies für sie akzeptabel, wenn sie ebenfalls mit einer künftig höheren Wunscherfüllungswahrscheinlichkeit entschädigt werden. Die freiwillige Bereitschaft zur Übernahme unbeliebter Arbeitszeiten sowie das Maß nicht erfüllter Arbeitszeitwünsche bestimmen also die Wahrscheinlichkeit künftiger Wunscherfüllung, so dass das Zusammenspiel aus Wunscherfüllungsquoten und -wahrscheinlichkeiten bei hoher Planungsgüte zu einer fairen Verteilung der unbeliebten Arbeitszeiten auf alle Beteiligten führt. Dieser Ansatz ist zukunftsweisend und wird von Agenten deshalb als besonders SMART empfunden.

2. Flexibilität und Skalierbarkeit

Organisationen agieren heutzutage in einem äußerst dynamischen Umfeld, was schnelle und flexible Anpassungsfähigkeit zu einem maßgeblichen Wettbewerbsvorteil werden lässt. Schlägt dieser Anpassungsdruck auf ein KSC durch, muss auch hier das Planungsszenario und ein möglicherweise vorhandenes Workforce-Management-System angepasst werden. Nicht viele Systeme lassen sich durch die Anwender einfach und unkompliziert umkonfigurieren. Meist sind sie relativ statisch und lassen sich nur durch aufwändige Anpassungsprogrammierungen auf neue Situationen einstellen. Ein Workforce-Management-System sollte deshalb auch danach ausgesucht werden, wie gut es von einer Initialstruktur anhand eines Weiterentwicklungspfades auf eine Zielstruktur eines KSC umgestellt werden kann. Ausreichende Freiheitsgrade, sich flexibel und skalierbar an die phasenspezifischen Besonderheiten anpassen zu können, gehören zu den Kardinalfähigkeiten eines
Workforce-Management-Tools.

3. Profunder Funktionsumfang 

Technisch betrachtet sollte ein WorkforceManagement-System detaillierte Prognosen bzgl. der Kundenanfragen über die einzelnen Kommunikationskanäle (Telefon, Mail, Chat etc.) liefern und darauf aufbauend Schicht- und Einsatzpläne berechnen.
Es gibt noch eine Reihe von Extras wie die Abwesenheitsplanung, Intra-Tagessteuerung, Zeitwirtschaft oder Reporting. Mobile Zugriffsmöglichkeiten für die Agenten zur Ansicht von Einsatzplänen, für den Schicht- und Pausentausch, für Urlaubsanträge oder die Eingabe von Wunscharbeitszeiten runden das Bild ab. Um einen
Planungsprozess (vgl. Kasten „Planungsprozess“) lückenlos abbilden zu können, sollte ein Workforce-Management-Programm zumindest diese Funktionen (vgl. Kasten „Funktionsumfang“) enthalten. Darüber hinaus ist es wichtig, auf Basis einer großen Auswahl an Regelwerken und Einstellungsmöglichkeiten die Parameterkonstellation einstellen zu können, die die Abbildung des gewünschten Planungsszenarios aus dem Stand, also unter Vermeidung zeit- und kostenintensiver Anpassungsprogrammierungen, ermöglicht. Ein Workforce-Management-Programm ist ein unverzichtbares Werkzeug für die Umsetzung der Vision eines KSC als Erfolgsbaustein für die Vertriebsstrategie der Zukunft. Vor allem, wenn es anpassungsfähig ist und im Sinne der Agenten SMART gestaltet werden kann.

Der „Planungsprozess“ im Detail

Das folgende Phasenmodell hat sich als idealtypischer Planungsprozess zur Erstellung von Personaleinsatzplänen etabliert:

1. Einrichtung und Pflege der organisatorischen Strukturen und sonstiger Rahmenbedingungen (z. B. arbeitszeitliche Rahmenbedingungen) sowie
von Mitarbeiterprofilen.

2. Ermittlung der benötigten Gesamtkapazitäten.

3. Sammlung historischer Daten, z. B. von Anrufmengen oder Bearbeitungszeiten (z. B. Anrufdaten).

4. Mustererkennung zur Bildung von z. B. Tages- und Wochenverteilkurven.

5. Prognose der Vorgangsvolumina unter Berücksichtigung aktuell bevorstehender Ereignisse sowie der o. a. Muster.

6. Berechnung des Personalbedarfs auf Intervallbasis gemäß der aktuellen Zielparameter (z. B. Service-Levels).

7. Planung von Abwesenheiten.

8. Planung von festen Schichten und rollierenden Schichtsequenzen.

9. Bedarfsorientierte sowie skillbasierte Berechnung von Einsatzplänen auf Basis variabler Schichten.

10. Controlling und Reporting

„Funktionsumfang“ eines modernen Workforce-Management-Systems

Um einen Planungsprozess abbilden zu können, sollte ein modernes Workforce-Management-System zumindest folgende Funktionen in sich vereinen.

Entsprechend differenziert bilden diese Themenkomplexe die Grundlage für einen Anforderungskatalog bzw. Lastenheft:

1. Kapazitätsplanung: Ermittlung der benötigen Agenten im Rahmen einer Langfristbetrachtung (taktische Vorausschau für mehrere Monate oder
Jahre) für einen reibungslosen Betrieb.

2. Forecasting: Prognose der Kundenanfragen über unterschiedliche Kanäle auf Intervallbasis als Basis für die intervallgenaue Personalbedarfsberechnung.

3. Abwesenheitsplanung: Planung von Urlauben und anderen Abwesenheiten bzw. Unverfügbarkeiten wie Krankheiten.

4. Meetingplanung: Für Teambesprechungen, Trainings oder Coachings wird automatisch der günstigste Zeitpunkt im Schichtplan bestimmt.

5. Schichtplanung: Vollautomatisierte, bedarfsorientierte Schichtplanung.

6. Einsatzplanung: Feintuning der berechneten Pläne.

7. Zeitwirtschaft: Die Zeiterfassung sowie Ermittlung von Arbeitszeitkonten und deren Auf- und Abbau.

8. Intratagessteuerung: Intratagesprognose, Re-Forecasting und Dokumentation des tagesaktuellen Geschehens.

9. Reporting und Controlling: Nutzung von Standardreports oder Design eigener Reports.

10. Arbeitsplatzplanung: Effiziente Auslastung der physischen Ressourcen.

11. Mitarbeiter-Terminal: Web-Anwendung für Darstellung von Plänen, Antragsabwicklung, Eingabe von Wunscharbeitszeiten, Schicht- und
Pausentausch, Zeiterfassung, Informationsbörse.

Erschienen in CallCenter for Finance August 2017

Prof. Dr. Florian Schümann

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